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Pressemitteilung-Detail

FH Gebäude
12.11.2020

Ein Schuss, ein Tor, unendlich viele Daten

David Kliment hat aus seinem Hobby eine hochkomplexe Abschlussarbeit mit Bestnote gemacht

Hagen. Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen. Rahn schießt. Was sich dann 1954 beim legendären Wunder von Bern ereignete, wissen heute alle. David Kliment hätte es damals wahrscheinlich als einer der ersten gewusst. Er hätte sich Rahns Schussposition angeschaut, hätte den Spielzug davor bewertet und dann „Toooor, Tooooor, Toooooor“, gerufen, bevor der Ball überhaupt die Linie überquert hätte. David Kliment hat Fußball unter die Lupe gelegt. Für seine Abschlussarbeit im Hagener Studiengang Wirtschaftsinformatik. Die zentrale Frage: Wie berechenbar ist Fußball?

Für David Kliment ist Fußball viel mehr als nur Fußball. Wenn Kliment über Fußball spricht, dann wird es im Raum gefühlt schlagartig fünf Grad wärmer. Der 25-jährige Leverkusener brennt für diesen Sport. Für seine Bachelorarbeit musste er seine Leidenschaft allerdings radikal runterkühlen. Er musste Fußball auf das reduzieren, was objektiv analysierbar ist. Auf Daten. Viele Daten. Unendlich viele Daten. „Ich habe vor einem riesigen Datensee gesessen“, sagt er, „und daraus musste ich mir dann die herausfischen, die ich brauchte.“ Für diese Auslese musste er sich auf eine konkrete Fragestellung festlegen. Kliment entschied sich für den wohl wichtigsten Komplex von Fragen im Fußball. Geht der rein? Geht der Ball rein, wenn Spieler x aus Position y aufs Tor schießt? „Hundertprozentig kann man das nie sagen“, erklärt Kliment sofort, „aber der Wahrscheinlichkeit, der kommt man schon auf die Spur.“

Das Ergebnis klingt erst einmal trivial. „Die Wahrscheinlichkeit, ein Tor zu erzielen, steigt, je näher der Schütze zum Tor steht“, so Kliment. Entscheidend ist aber auch der Weg dahin. Wie kreiert man die hundertprozentigste aller hundertprozentigen Torchancen? Wie viele Pässe hat der Spielzug davor? Sind Kopfbälle im Spiel? Von wo kam der letzte Pass? Für seine Analyse hatte Kliment 326 Liga-Spiele des FC Barcelona unter die Lupe gelegt. Bei Barcelonas 1:1 gegen Bilbao hat Kliments Programm ein Tor auf Basis der erfassten Spielzüge korrekt vorausgesagt. Wenn jetzt also irgendjemand weiß, wie die Tormaschine des FC Barcelona läuft, dann ist es David Kliment. Mit diesem Wissen müsste sich doch Geld verdienen lassen. „Stimmt“, sagt Kliment, „viele Profivereine haben schon Data-Teams, die sich hauptberuflich mit diesen Analysen befassen“. Ist das David Kliments Traumjob? „Ja“, sagt er, „das ist er“.

David Kliments Bachelorarbeit hatte aber noch einen zweiten Schwerpunkt. Dabei geht es um einzelne Spieler. Konkret um Abwehrspieler. Ganz konkret um Dani Alves. Der vielleicht beste Rechtsverteidiger der Welt wollte den FC Barcelona verlassen. Wer könnte ihn ersetzen? Welcher Rechtsverteidiger spielt so wie Dani Alves? David Kliment ermittelte etwa zehn potenzielle Kandidaten und verglich ihre Spieldaten mit denen von Dani Alves. Daraus ergab sich ein Diagramm. Jeder Spieler wurde zu einem Punkt in diesem Diagramm. Je näher die Punkte beieinanderliegen, desto ähnlicher der Spielstil. Die Punkte verstreuten sich. Am nächsten zu dem von Dani Alves lag der von Achraf Hakimi. Letzterer landete dann aber nicht beim FC Barcelona, sondern bei Real Madrid. „Chance verpasst“, sagt David Kliment mit einem Augenzwinkern.

Kliment hat aus seinem Hobby eine hochkomplexe Abschlussarbeit mit Bestnote geformt. „Diese Arbeit hat richtig Spaß gemacht“, sagt auch Betreuer Prof. Dr. Christian Leubner. „Das ist ein unheimlich greifbares Thema, mit dem sich der Nutzen von systematischer Datenerfassung gut zeigen lässt.“ Motivieren musste Leubner seinen Schützling nicht. „Im Gegenteil“, so der Wirtschaftsinformatik-Professor, „ich musste ihn bremsen, um die Daten in einem angemessenen Rahmen zu halten.“ Für Kliments Karriere soll die Bachelorarbeit nun zum Steilpass werden. Erst folgt der Master. Und dann? Ja, dann könnte David Kliment vielleicht die große Chance bekommen, als Datenanalyst im Profifußball zu arbeiten. Er würde sie nur zu gerne nutzen.