Aktuelle Forschungs- und Transferprojekte
Forschungsprojekt TransProMinC
Kurzbeschreibung | TransProMinC = Transformable Decentral Production for Local Economies with Minimized Carbon Footprint / Wandlungsfähige dezentrale Produktion für lokale Wirtschaftskreisläufe mit minimiertem CO2-Fußabdruck. Im Projekt TransProMinC liegt der Fokus der Forschung auf zwei der Schwerpunktthemen des Fachbereichs Logistik und Supply Chain Management: ver- und entsorgende Logistik der modularen Produktion in der Prozessindustrie sowie Nachhaltigkeit. |
Ausgangspunkt | In der Prozessindustrie werden viele Produkte bisher in großskaligen Produktionsanlagen hergestellt, die sehr große Märkte - teilweise ganze Kontinente - bedienen. Die Rohstoffe sind heute in vielen Fällen noch erdölbasiert und müssen zudem meist über weite Strecken zu den Großanlagen und die Produkte wiederum von dort zu den Kunden transportiert werden. |
Ziel des Projektes | In diesem Projekt sollen Treibhausgasemissionen, welche bei der Herstellung von Produkten in der Prozessindustrie entstehen, durch die Kombination aus mehreren Ansätzen minimiert werden. Die Grundidee besteht darin, Produktionsstandorte nur dort zu errichten, wo erstens die Nachfrage nach den Produkten vorhanden ist, zweitens erneuerbare Rohstoffe zur Herstellung verfügbar sind und drittens auch erneuerbare Energien zur Deckung des Strombedarfs bereitstehen. Basierend auf modularen Produktionskonzepten der Prozessindustrie würden so dezentralisierte Produktionsnetzwerke entstehen, deren Standorte jeweils nur lokale Märkte bedienen. Die Produktionsanlagen werden so konzipiert, dass sie in handelsübliche 40 Fuß ISO-Container passen und hierdurch schnell und mit geringstmöglichem Aufwand transportiert sowie auf- und abgebaut werden können. Vorteil dieses Ansatzes ist, dass zum einen die Anfangsinvestitionen deutlich geringer sind als bei herkömmlichen Großanlagen und zum anderen die Planungs- und Hochlaufzeiten stark reduziert werden können. Dadurch wird eine deutlich flexiblere und schnellere Reaktion auf Nachfrageänderungen möglich. Insbesondere die weltweit durch die Corona-Pandemie verursachten Materialengpässe in vielen wichtigen Industriezweigen zeigen mehr als je zuvor, wie wichtig die Fähigkeit einer schnellen Reaktion auf unerwartete Angebots- und Nachfrageänderungen für Unternehmen werden kann. Auch die die modularen Produktionsanlagen ver- und entsorgende Logistik muss den Systemanforderungen gerecht werden. Aus diesem Grund muss die Intralogistik ebenso flexibel gestaltet werden, um die Vorteile einer modularen Produktion entlang der gesamten Wertschöpfung ausnutzen zu können. Bei der Konzeption der Produktions- und Logistikmodule soll demnach ein hoher Grad an Standardisierung erreicht werden, damit die Anlagen mit geringem Aufwand für andere Zwecke umgerüstet und so auch neue Produkte hergestellt werden können. Außerdem wird ein hoher Automatisierungsgrad angestrebt, um den Personalbedarf an den einzelnen Standorten gering zu halten und so die Wirtschaftlichkeit im Vergleich zur Massenproduktion in Großanlagen zu gewährleisten. Für die Bewertung der Umsetzbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit dieses Ansatzes wurden Fallbeispiele entwickelt, anhand derer konkrete Szenarien simuliert und beschrieben wurden. Eines dieser Fallbeispiele wird im Folgenden exemplarisch dargestellt. |
Fallbeispiel: Produktion von Polylactiden (PLA) aus Molke | Polylactide werden nach einer Weiterverarbeitung zu sogenannten PLA-Blends zum Beispiel für die Produktion von Verpackungen kurzlebiger Güter eingesetzt. Da Polylactide grundsätzlich biologisch abbaubar sind, können herkömmliche, erdölbasierte Verpackungskunststoffe durch PLA ersetzt werden, um Umweltbelastungen zu reduzieren. Der Systemansatz des Projektes sieht vor, erneuerbare Ressourcen statt erdölbasierter Rohstoffe zu nutzen. Als wichtiger einschränkender Faktor wurde bei der Auswahl der Fallbeispiele darauf geachtet, die sogenannte "Teller-Tank-Problematik" zu vermeiden. Das heißt, es wurden von Beginn an nur Rohstoffe in Betracht gezogen, für die keine Anbauflächen benötigt würden, die in Konkurrenz zum Lebensmittelanbau stehen. Im ersten Arbeitspaket wurde dafür eine multikriterielle Analyse durchgeführt, in welcher die Eignung verschiedener Produktionsverfahren mit jeweils unterschiedlichen Rohstoffen und Endprodukten in Bezug auf Kriterien wie die Verfügbarkeit der Edukte (Ausgangsstoffe), der technische Reifegrad bestehender Prozesse oder die Skalierbarkeit der Produktion untersucht wurde. Im Ergebnis wurde der Prozess zur Herstellung von PLA aus Molke als einer der für den Systemansatz am besten geeigneten identifiziert. Entsprechend wurde im Folgenden die Entwicklung der Logistikkonzepte sowie die Ermittlung der Prozessdaten in diesem Fallbeispiel auf die Herstellung von PLA aus Molke ausgerichtet. Molke fällt bei der Käseherstellung als Restprodukt an und wird zum Beispiel als Getränk oder in Form von Pulver als Nahrungsergänzungsmittel verkauft. Da die Mengen anfallender Molke bei der Käseherstellung die Nachfrage in der Regel deutlich übersteigen, wird es häufig auch als Tiernahrung verwendet oder gar als Abfallprodukt entsorgt. An diesem Punkt setzt das Projekt TransProMinC an, denn Molke eignet sich als Ausgangsstoff zur Herstellung von PLA. Ein großer Vorteil dieses Ausgangsstoffes liegt in dessen Verfügbarkeit, denn Molke fällt in jeder Molkerei als Nebenprodukt an. Würde nun also eine modulare Produktionsanlage direkt an einer Molkerei errichtet bzw. aufgestellt, entfiele der Transportweg des wichtigsten Rohstoffes komplett. Lediglich einige Additive müssten in geringeren Mengen beschafft werden. Wird ein Produktionsstandort gleichzeitig in der Nähe eines Absatzmarktes errichtet, entfallen ebenso die weiten Transportwege der Produkte zu Kunden, wodurch zusätzlich Transportemissionen eingespart werden können. Als drittes Kriterium für die Wahl eines Standortes muss die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien gewährleistet werden, da Produktionsverfahren in der Prozessindustrie generell vergleichsweise energieaufwendig sind. In Summe bleiben auch nach Berücksichtigung aller einschränkender Faktoren ausreichend mögliche Standorte für ein Netzwerk aus modularen Produktions- und Logistikeinheiten, mit denen eine deutliche Reduzierung des Treibhausgasausstoßes im Vergleich zu herkömmlichen Herstellungsmethoden erzielt werden kann. Gleichzeitig kann unter bestimmten Voraussetzungen dank der Kosteneinsparungen in Bereichen wie Transport u.a. eine Profitabilität erreicht werden, die den Renditeanforderungen der Prozessindustrie gerecht wird. Je mehr in Zukunft der Ausstoß von CO2 durch Steuern und Abgaben bepreist wird, desto eher wird die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit dieses Systemansatzes erreicht. Detaillierte Angaben zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit, Flexibilität und Nachhaltigkeit werden nach Ende des Projektes im September 2022 veröffentlicht werden. Bei Fragen zu den bisherigen Ergebnissen und aktuellen Arbeiten wenden Sie sich gerne an einen der Projektmitarbeiter (s.u.). Weiterführende Informationen finden Sie außerdem in den wissenschaftlichen Veröffentlichungen auf den Seiten der jeweiligen Mitarbeiter. |
Kontakte |
Prof. Dr.-Ing. Stefan Lier (Projektleiter) Maik Pannok, M.Sc. (Bereich Intralogistik) Marco Finkbeiner, M.Sc. (Bereich Supply Chain Management) |
Ausführende Stelle | Fachbereich Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften, Meschede |
Beteiligte Fachbereiche / Firmen / Institutionen | Fachhochschule Südwestfalen (Projektkoordinator) Ruhr-Universität Bochum (Projektpartner) |
Drittmittelgeber / Förderung | Bundesministerium für Bildung und Forschung |
Laufzeit | 01.10.2017 - 30.09.2022 |